Integrated Competition Hypothesis

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Was besagt die „Integrated Competition Hypothesis“ und wie lässt sich dies Wissen für die Gestaltung von Mensch-Maschine-Schnittstellen nutzen?

Die Hypothese der integrierten Kompetition ist ein Ansatz einer Rahmentheorie zur Integration behavioraler (verhaltensbezogener) und neuronaler Erkenntnisse, der davon ausgeht, dass Reize in einen Wettbewerb um die Handlungssteuerung treten. Der Wettbewerb wird dabei durch aktuelle Handlungsziele beeinflusst. Der Wettstreit um die Aufmerksamkeit ist objektbasiert, d.h. auf Objekte und nicht auf Orte gerichtet. Dabei kann nur ein Objekt zu einer gegeben Zeit verarbeitet werden.
Die These basiert auf drei Grundgedanken.

Grundgedanken

  1. Viele Gehirnsysteme (sensorische und motorische, kortikal und subkortikal) werden von visuellen Reizen aktiviert. In vieler dieser Systeme konkurrieren Aktivitäten miteinander. Wenn ein Objekt mehr Aufmerksamkeit bekommt, bedeutet dies eine geringere Aufmerksamkeit für ein anderes Objekt.
    Auf dem Verhaltenslevel manifestiert sich diese Konkurrenz zwischen den Objekten als eine Interferenz in deren Verarbeitung. Viele Versuche haben gezeigt, dass diese Interferenzen auftreten, wenn zwei verschiedene Objekte, die miteinander konkurrieren identifiziert werden sollen. Diese Interferenz tritt auf, egal ob Objekte weiter auseinander sind oder sich überschneiden. Sie sind zeitlich durch ein paar hundert Millisekunden getrennt. Experimente haben außerdem gezeigt, dass visuelle Reize von zu ignorierenden Objekten unterdrückt werden. (Duncan, Humphreys, Ward 1997)

  2. Da der Wettbewerb in unterschiedlichen Gehirnsystemen stattfindet, wird er als integriert bezeichnet. Wenn ein Objekt in einem System dominiert, übernimmt es auch weitere Systeme. (Desimone, Duncan 1995) Das gesamte sensomotorische Netzwerk neigt dann dazu, einen Status anzunehmen, in dem die verschiedenen Gehirnsysteme sich angenähert haben, sich auf das selbe dominante Objekt fokussieren und seine Vielzahl an visuellen Eigenschaften und Implikationen zu Handlungen zu analysieren. Auf der Verhaltensebene bedeutet dies fokussierte Aufmerksamtkeit auf das ausgewählte Objekt. Auf der neuronalen Ebene starke Reaktion auf das Objekt mit den visuellen Eigenschaften und wenig Reaktion auf zu ignorierende Objekte.
    Verhaltensrelevante Objekte werden also höher priorisiert. Dieser Prozess wird auch Priming, Präaktivierung oder Bahnung genannt. Sind zum Beispiel nur rote Knöpfe zum Erreichen der Aufgabe notwendig, werden die auf die Farbe rot anspringenden Neuronen in farbselektiven Teilen des Netzwerks priorisiert. So wird eine besondere Sensibilität für die Farbe „rot“ im Handlungskontext integriert.
    In Studien wurde belegt, dass die Interferenz verschwindet, wenn anstatt der Eigenschaften zweier verschiedener Objekte, zwei verschiedene Eigenschaften eines Objektes identifiziert werden sollen. (Duncan, Humphreys, Ward 1997)

  3. Dieser Wettbewerb findet übergreifend zwischen allen Gehirnsystemen statt. Sobald ein Objekt in einem Teil des Netzwerkes dominant ist, werden die anderen Teile des Netzwerkes ebenfalls zu dem selben Objekt tendieren. Das gesamte Netzwerk strebt nach einem gemeinsamen Zustand. Damit werden die unterschiedlichen Eigenschaften des Objektes zeitgleich der Verhaltenssteuerung verfügbar gemacht. (Duncan, Humphreys, Ward 1997)

Der Wettbewerb kann durch relevante Objekteigenschaften gerichtet werden. Es gibt definitiv Tendenzen zu Objekten, die sich bewegen, blinken, hell und groß o.Ä. sind, aber generell kann jedes Objekt zur Kontrolle von Verhaltensweisen genutzt werden, abhängig von der Aufgabe. Duncan, Humphreys und Ward nehmen an, dass aufgabenspezifische Selektion durch Priming kontrolliert wird. (Duncan, Humphreys, Ward 1997) Angenommen jemand soll nach Objekten mit einer bestimmten Farbe suchen. Dann werden innerhalb verschiedener Systeme, die Einheiten sensibilisiert, die auf die Farbe reagieren. Dadurch bekommen Objekte der gesuchten Farbe einen Wettbewerbsvorteil in den sensibilisierten Systemen. Wenn also gewisse Systeme schon in Richtung dieser Farbe tendieren, tendieren die anderen Systeme auch in diese Richtung (siehe Grundgedanke 2). Es gibt dann eine generelle Vormachtstellung des gewünschten Objektes innerhalb mehrerer Systeme, was dazu führt, dass seine Eigenschaften gleichzeitig verfügbar sind. (Duncan, Humphreys, Ward 1997)

Aufmerksamkeit wird in dieser Hypothese als Zustand des gesamten Netzwerkes verstanden. Ein Objekt wird beachtet, wenn verteilte Gehirnsysteme, sich mit Blick auf die Eigenschaften des Objektes miteinander decken.
Dieser Wettbewerb benötigt Zeit, ist objektbasiert und kann durch Fokussierung auf eine bestimmte Eigenschaft angepasst werden.

Bedeutung für die Gestaltung einer Mensch-Maschine-Schnittstelle

Für die Gestaltung von Mensch-Maschinen-Interaktionen bedeutet diese Hypothese, dass eine Anwendung mit dem mentalen Modell oder den gelernten Fähigkeiten des Nutzers übereinstimmen muss um eine möglichst geringe Reaktionszeit zu erzielen.
Diese mentalen Modelle können je nach kultureller Herkunft, Bildungsgrad und Vorwissen unterschiedlich sein.
In Situationen in der ein Anwender ein bestimmtes Interface unter erschwerten Bedingungen benutzt, z.B. durch Stressoren wie Panik, Angst, Wut, …, muss die Aufmerksamkeit des Nutzers kontrolliert gelenkt werden um die Verarbeitungszeit beim Nutzer möglichst gering zu halten.
Durch das Fokussieren auf eine bestimmte Tätigkeit (Vermeidung von Multi-Tasking, Ablenkung und anderer Stressoren) wird die Verarbeitungszeit beim Nutzer möglichst gering gehalten.
Die Aufmerksamkeit des Nutzers sollte gezielt auf das wichtigste Element gelenkt werden, z.B. durch Kontraste und Komposition der Elemente.

Konkrete Maßnahmen für die Gestaltung von Interfaces können sein:


Quellen:

Kognitive Neurowissenschaften
herausgegeben von Hans-Otto Karnath,Peter Thier Springer-Verlag, 03.07.2012 S.319

Aufmerksamkeit und Handlungssteuerung
Hermann Müller, Joseph Krummenacher, Torsten Schubert Springer-Verlag, 24.11.2014

Competitive brain activity in visual attention
John Duncan, Glyn Humphreys and Robert Ward, Current Opinion in Neurobiology 1997, 7:255–261

Neural Machanisms of selective visual attention, Desimone, Duncan, Annual Rev. Neurosci. 1995, 18:193-222


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